Zwei in Schwarz gekleidete Menschen mit ausladenden, weißen Kopfbedeckungen stehen auf einer Bühne.

Land des Lächelns, Land der Klischees?

02.02.2024 Lesezeit: 4 min Blog

Mit „Lisas Land des Lächelns“ bringt die Neuköllner Oper eine fast hundert Jahre alte Operette von Franz Lehár wieder auf die Bühne. Um das Publikum von heute anzusprechen, haben Autorin Elisabeth Pape und Komponistin Abigél Varga einen neuen Rahmen entworfen, der die Handlung in unser Berlin versetzt. Im GASAG-Blog teilen die jungen Kulturschaffenden, wie sie an diese Herausforderung gegangen sind.

Eine Wiener Grafentochter verliebt sich kopfüber in einen chinesischen Prinzen und folgt diesem in seine Heimat, doch dort soll er nach alter Sitte vier Mandschu-Mädchen heiraten. Der exotischen Anziehungskraft kommen kulturelle Unterschiede dazwischen, die letztendlich zur Flucht aus dem Palast und zur Trennung führen. Die Handlung der romantischen Operette Das Land des Lächelns von Franz Lehár wird heute kritisch betrachtet. Für manche Zuschauerinnen und Zuschauer wären die darin enthaltenen Klischees und Stereotypen über China eine Nummer zu dick. Dennoch hat das 1929 in Berlin uraufgeführte Stück gerade in der Neuköllner Oper ein neues Leben bekommen.

Komponistin Abigél Varga hört der Probe mit viel Teilnahme zu, denn sie begleitet seit fast einem Jahr der Auftrag, die Musik für eine kleinere Besetzung zu aktualiseren. Eine Woche vor der Premiere werden die letzten Abläufe eingeübt: „In einem Theater zu arbeiten ist anders, als wenn ich meine Musik in einem Konzert präsentiere. So ist die Zusammenarbeit mit dem Regisseur und der Librettistin eine wichtige Erfahrung, die ich eigentlich jeder Komponistin in meiner Generation wünsche,“ sagt Abigél Varga.

Eine Gruppe von Menschen steht auf einer Bühne in der Oper Neukoelln.
Die Handlung wurde liebevoll auf ein Quartett reduziert, in welchem jede Figur Spielraum und witzige Momente hat. Bühnenfotos: Philipp Plum

Nicht nur die Instrumentation hat sie überarbeitet, es wurden auch neue Übergänge hinzukomponiert: „Ich bin gespannt, wie sich die rein instrumentalen Stimmungen zwischen dem Gesang in die Bühnensprache einfügen. Damit wollte ich eine andere Welt beitragen. Die Musik soll noch erlösend sein wie im Original, aber eine andere Richtung nehmen.“

Die Chance, für eine Produktion in Berlin zu komponieren, entstand durch den Kontakt zur Hochschule für Musik und Theater München. Alle zwei Jahre laden die Neuköllner Oper und GASAG Komponistinnen und Komponisten ein, neues Musiktheater im Rahmen des Berliner Opernpreises zu präsentieren. Gerade die praktische Arbeit ist unerlässlich, damit die Kunstform einen Nachwuchs haben kann. Dafür widmet sich die Neuköllner Oper den jungen Impulsen und Versuchen. Anders als staatliche Opernhäuser ist sie in der Lage, Produktionen innerhalb eines Jahres umzusetzen und entsprechend nah an den gegenwärtigen Themen zu bleiben.

Eine Dating-Geschichte

Voraussetzung für das Komponieren war aber ein neuer Text. Für die Übersetzung der Vorlage in die Welt von 2024 kam Autorin Elisabeth Pape die Idee, das Ganze als eine Dating-Geschichte zu schreiben. „Dann hat sie eben ein besonderes Faible für China und sowieso einen Spleen für „Land des Lächelns,“ hieß der Gedanke: Aus der Perspektive der Hauptperson Lisa werden Vorstellungen über Asien thematisiert wie etwa, dass Menschen aus China immer lächeln würden, um das Gesicht zu wahren. Lisas Vermutungen beruhen aber keineswegs auf Erfahrungen, die sie selbst gemacht hat. Elisabeth Pape erklärt:

„Dating bietet sich als Modell an, um die Vorlage von „Land des Lächelns“ noch ernst zu nehmen. Für mich war dieser Zugang wichtig, um die Operette in unserer Gegenwart noch erzählenswert zu machen, da sich da auch Vorlieben und auch Klischees zeigen. Das Interessante an der Form der Operette ist, dass die Personen beim Singen ihre wirklichen Gefühle zeigen. Genau das passt aber auch zu den auf der Bühne stehenden Großstadtmenschen, die ansonsten ihre Gefühle hinter einer lässigen Fassade verstecken.“

Ein Mann sitzt an einem Tisch und hat ein Mobiltelefon vor sich, hinter sich ist ein Tinder-Profil einer Frau zu sehen.
Bühnenfotos: Philipp Plum

Die Handlung so zu schreiben, dass die Personen bei einem Höhe- oder Tiefpunkt in Gesang ausbrechen können, war für die Theaterautorin eine neue Erfahrung. Eine Operette soll Gefühle schnell und leicht ins Spiel bringen. Doch aus Sicht der Musik ist Abigél Varga völlig überzeugt: „Die Arien und Duetten von Franz Lehár mag ich sehr – sie sind nicht nur unterhaltsam, sondern auch sehr kunstvoll gestaltet.“

  • "Lisas Land des Lächelns" hatte am 25. Januar 2024 Premiere. Alle Informationen zur Dating-Operette sind hier verfügbar.
  • Der Berliner Opernpreis wird am 23. Mai 2024 verliehen.

Abigél Varga (1996) ist Finalistin des Berliner Opernpreises. Ab 2015 Kompositionsstudien an der Franz-Liszt-Musikakademie in Budapest (BA und MA) mit anschließenden Studien bei Moritz Eggert an der Hochschule für Musik und Theater München. Hat 2022 u. a. die kurze Oper "Coded Bodies" nach Text von Alexandra Jovic komponiert.

Elisabeth Pape (1995), Autorin und Librettistin. Studierte Theater- und Literaturwissenschaft an der Freien Universität Berlin und anschließend Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin. Ihre Stücke wurden in mehreren Theatern aufgeführt. Erhielt 2023 den Kleist-Förderpreis für das Stück "Extra Zero".

Hero-Bild: Philipp Plum